Germany, Ostrhauderfehn: Harald Kleem, 66, Lehrer
Was bin ich froh, dass wir Naturwissenschaftler haben, die auf Fakten schauen. Diese Hirschhausens, die Leschs, die Drostens, Yogeschwars und die vielen, die nicht journalistisch unterwegs sind: Das sind Leute, die verstehen wollen, was warum wie funktioniert. In guter Tradition der Forscher wie Goethe, Humboldt, Einstein. Gemeinsam war diesen die Verantwortung für die Zukunft. Es waren keine „Fachidioten“ sondern Menschen, die verstehen und gestalten wollten. …
… In dieser Pandemie brauchen wir genau diese Menschen wieder: die mit der Neugierde, die mit dem „Radar“blick, die mit dem Verantwortungsgefühl.
Stattdessen haben wir es in allen Ländern zunehmend mit Menschen zu tun, die Probleme und Entwicklungen irgendwie als „Voodoo“ sehen: Fremde Mächte steuern uns, heißt es. Statt den Virus zu bekämpfen mit Sinn und Verstand, leugnen sie seine Gefährlichkeit oder konzentrieren sich darauf „die Drahtzieher“ zu finden oder in den Medien die Manipulateure zu suchen. Was ist da in der Bildung falsch gelaufen, dass Faktendenken nicht in diesen Köpfen angekommen ist?
Wir wissen, dass es ein gefährliches Virus ist, denn die Welt kämpft schon seit Jahrhunderten gegen solche Viren und hat schon manchen Kampf da verloren, so 1920 bei der Spanischen Grippe mit mehr als 20 Millionen Toten.
Es gibt Viren, die man bisher nur eindämmen kann, mehr nicht, so wie bei HIV/AIDS. Und es gibt diese Infektionskrankheiten, die alle die ausrotten konnten, die genügend Geld hatten für Medikamente, Impfungen, Vorsorge. Die Armen erleiden diese Krankheiten weiter: Typhus, Malaria, Tuberkulose, Masern, Lepra.
Wir sehen, dass es gute und schlechte, tödliche und weniger tödliche Wege der Eindämmung gibt. Gut, dass wir in Deutschland bisher nur 9 Tote pro 100 000 Einwohner hatten, andere leider viel mehr.
Und wir sehen, dass die Weltwirtschaft global in wenigen Wochen in die Knie gegangen ist und eine zweite Welle mit Lockdown noch viel größere Folgen haben würde.
Allen ‚Aluhutträgern‘ und Verschwörungstheoretikern ins Stammbuch geschrieben:
Wer Veränderungen nicht will, hat sein ganzes Leben nicht verstanden.
Wer nach der Pandemie glaubt, es gehe wieder wie früher weiter, versteht Wirtschaft und Politik nicht und hat schwere Zeiten vor sich.
Ein paar Dinge zeichnen sich schon jetzt ab, die anders werden:
Gefahren wie dieses Virus kann man nur gemeinsam und international bekämpfen. Wir werden mehr, nicht weniger zusammenarbeiten.
Nationalisten und Diktatoren werden die Verlierer sein, denn sie haben keine Antworten außer Angriffe gegen das „Fremde“ an sich.
Wirtschaft ist globalisiert und nicht krisenfest. Wir werden wieder regionaler wirtschaften und deshalb nicht mehr alles „ganz billig“ von „Weitweg“ bekommen. Vielleicht werden wir weniger haben.
Andere müssen in Zukunft mehr haben / bekommen / behalten können, damit sie Vorsorge – auch medizinische – betreiben können für ein gutes Leben.
Geldverschwendung und Profitmaximierung werden wir stoppen müssen: Illegale Geldwäsche mit 1,5 Billionen Euro pro Jahr (allein 100 Milliarden in Deutschland) bremsen, Steuern auf Devisenhandel einführen, globale Steuerparadiese schließen: Das Geld ist da, nur halt in wenigen Händen.
Bildung wird sich verändern, denn weder der analoge Klassenzimmerunterricht noch die Zerstückelung der Welt in 15 verschiedene Unterrichtsfächer haben dazu geführt, dass alle Absolventen der Schulen Zukunft verstehen und gestalten. Bildung muss ALLE zu mündigen Staatsbürgern machen.
Nicht zuletzt: Viele merken, wie wichtig Menschlichkeit und soziales Miteinander sind und sehen, dass dies und eine gute Gesundheit entscheidender sind als die bunte Konsum- und Glitzerwelt.