Germany, Ostrhauderfehn: Manuela Plaisier, 31, Erzieherin
Manuela führt einen Blog (Tröste-Schlalo) über den alltäglichen Wahnsinn einer Familie - ihrer Familie! Mehr dazu: siehe unten.
Ich finde die aktuelle Situation sehr beängstigend und weiß, wie viel Arbeit (unter erschwerten Bedingungen) die meisten aktuell leisten müssen und wie viel Leid (in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens) diese Krankheit (COVID-19) bringt. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass ich aktuell „nur“ in der Lage bin, die Zeit zu Hause mit sozialer Isolation einigermaßen unbeschadet zu überstehen: …
… Ich bin mittlerweile 5,5 Wochen zu Hause und ich betone es gerne nochmals: Nur zu Hause!
Ja, ich gebe zu: Am Anfang dachte ich noch die Krise würde mich in meine persönliche Krise katapultieren. Ich malte mir einen wesentlich erhöhten Alkoholkonsum aus und überlegte, welches Fenster sich für einen Sprung in die Tiefe am besten eignen würde (keines… Das Haus ist einfach nicht hoch genug). Doch irgendwie kam ziemlich zügig alles anders, als ich dachte.
Ich bemerkte schnell wie gut uns diese Situation tut. Uns als Familie, aber eben auch jedem Einzelnen. Denn wir haben auf einmal etwas, was im täglichen Wahnsinn verloren geht.
Wir haben Zeit. Zeit miteinander und Zeit füreinander. Und zusätzlich hat jeder noch Zeit für sich. Auch nicht zu verachten.
In dieser Familie gibt es seit fast 6 Wochen kein Gehetze mehr. Alles läuft ruhig und gelassen und das Tempo ist egal. Hatte ich mich noch vor einiger Zeit ungeduldig an einen Spaziergang gemacht, der aufgrund der Entdeckerfreude und akuten Unlust weiter zu gehen oft eine Zerreißprobe wurde, weil 1 km schlichtweg 1 Stunde dauerte. Wir uns also im Schnitt mit 1 km/h voran bewegen…,
so ist es mir nun egal.
Ich habe ja die Zeit.
Sollen die Kinder doch zum hundertsten Mal wegen einem Gänseblümchen stehen bleiben, ich schau mir derweil die Wolken an und genieße die Ruhe.
Ich habe ja auch keinen Stress.
Ich muss nicht zum nächsten Termin, zum Sport, oder sonst wo hin und zu mir kommt auch keiner. Es ist mir völlig egal, wann die Kinder ins Bett gehen und wann es demzufolge Abendessen gibt, weil am Morgen schließlich keiner super gestresst die Kinder (meist gegen ihren Willen) fertig machen muss, damit jeder seiner Dinge nachgehen kann.
Es ist egal.
Genau so ist es mir mittags egal. Wann und ob wer wo schläft?! Es wird gegessen, wenn wir hungrig sind und es wird geschlafen, wenn wir müde sind. Fertig. Kein Gehetze.
Ist das nicht wahnsinnig positiv?!
Und wenn wir uns für Frühstück entschieden haben, das kleine Mädchen aber vorher so gerne noch mit alle Mann einen Stuhlkreis machen will…, ja dann wird eben ein Stuhlkreis gemacht. Warum auch nicht. Wir haben Zeit und keiner hetzt uns. Der Stuhlkreis an sich ist für mich dann sowieso so amüsant, dass es eh viel besser ist, als Frühstücken.
Eine Dreijährige mit einer Erzieherin als Mutter und zwei lieben Erzieherinnen als Vorbildern… da kommen Stuhlkreise bei rum, das glaubt man nicht. Und während der Mann, der nebenbei bemerkt ja auch Erzieher ist, im Stuhlkreis gähnend von sich gibt, dass er während der Ausbildung beim Stuhlkreis schon immer eingeschlafen sei, ermahnt die Tochter man möge bitte leise sein und nicht quatschen. Es wird dann auch nicht nur ein Spiel gespielt. Sie holt ihr gesamtes Repertoire hervor und mit nur 4 Teilnehmern, wovon einer die Regeln auch immer nur so semi-gut versteht, ist ein Spiel nun mal auch schnell zu Ende.
Am Anfang hatte ich große Sorge, dass ich die Kinder nicht beschäftigen könne. Was soll ich sagen? Sie beschäftigen sich selbst. Oder wir machen halt einfach tolle Dinge zusammen.
Und weil der Mann sich zu Beginn der Krise als Ausgleich einen Bagger lieh, um unseren Garten mit viel Spaß und zerstörerischer Wut, vollends in sämtliche Einzelteile zu zerlegen, so sind wir nun zu viert damit beschäftigt uns ein Paradies zu schaffen –
unser Paradies (noch ein Vorteil von Corona: Es kommt einfach keiner in unseren Garten … ohhh! Das kann auch Entlastung sein…. Muss man sich schließlich nicht für 1 Meter tiefe Baggerspuren schämen, sieht ja keiner).
Und die Kinder? Helfen mit. Oder sie spielen in der schwarzen Erde: „Schwimmbad“. Eine Freude für jedermann. Wenn blonde Haare schwarz-grau sind, weiß man, dass der Tauchgang funktioniert hat.
Und gestern? Als wir so einen Zaun bauten, flogen zwei kleine Kinder verkleidet mit einem Umhang durch den Garten. Badman und Eulette. „Braucht ihr Hilfe?“, fragten sie alle zwei Sekunden. Nein brauchten wir natürlich nicht. Ihre Hilfe bestand schließlich nicht darin uns wirklich zu helfen, sie wollten Gangster verjagen. Damit konnten wir nicht dienen.
Habe ich eigentlich erwähnt, dass ich auch so wahnsinnig viel Zeit habe, weil ich mein Haus nur noch dann putze, wenn ich selbst Lust dazu hab!? Allein dafür möchte ich Corona einfach mal danken.
Es kann einfach keiner unangemeldet kommen und entlarven, wie es bei mir aussieht, wenn ich eben nicht gerade geputzt habe. Ich weiß ganz genau, dass es 99 % der Frauen und Männer so tun, auch wenn sie es nicht zugeben: Sie putzen, wenn jemand sich anmeldet zu kommen. Oder sie putzen aus Sorge, dass jemand unangemeldet kommen könnte.
Was das allein für einen Stress auslöst ist unbeschreiblich.
Zack. Corona. Stress weg… Kommt keiner. Das Putzen kann mich mal. Es sei denn …ich habe Lust dazu.
Und das kommt auch manchmal vor. Ich erinnre mich noch genau an einen Tag. Also welcher Tag es nun genau war, weiß ich nicht, ich habe schließlich jegliches Zeitgefühl verloren. Würde ein lokaler Politker mir nicht täglich fleißig online erzählen, was so Corona-mäßig los ist, hätte ich schon längst alles um mich herum vergessen.
Jedenfalls war es ein Tag, an dem unser Wohnzimmer derart im Chaos versunken ist, dass man sich seinen Weg zum Sofa quasi ‚ergraben‘ musste.
Überall lagen diverse Dinge. unter anderem hölzerne Dominosteine. Und der kleine Mann machte sich daran, jedem einen Stein in die Hand zu geben. Und da saßen wir nun zu viert auf dem Sofa… jeder einen hölzernen Domino-Stein in der Hand und als ich fragte: „Und nun?“, erklärte die Tochter ganz selbstverständlich: „Wir müssen nun alle unsere Schilder hochhalten und so laut wir können „STOOOOOPP“ rufen.
Nun gut. Das taten wir. Diese Aktion war so sonderbar, dass wir nach unserem Stopp-Schrei nicht mehr aus dem Lachen rauskamen.
Es Folgten unendlich viele Stopp-Schreie im Chor und eine ganze Familie war ziemlich lange beschäftigt…im Chaos…ohne Putzen…ohne Stress.
Und heute Morgen erst: Ich war im Bad und wollte gerade ein bisschen putzen…: da hörte ich den Rest der Familie singen: „Es regnet, es regnet, die Erde wird nass!“ Kurz schien mir mein Putzen noch interessanter, aber dann kam die kleine Dame in Gummistiefeln mit ausgeklapptem Regenschirm bei mir angelaufen: „Mama? Wir feiern eine Regenparty. Kommst du auch?“ Aus dem Hintergrund rief der Mann: „Sag Mama, dass sie einen Regenschirm mitbringen muss.“
Ich fand das so süß, dass ich mein Putzen sein ließ und mich auf den Weg ins Wohnzimmer machte und siehe da?! Da stand sie, meine Familie mit ausgeklappten Regenschirmen und Gummistiefeln. Und so machten wir unsere Regenparty… mitten am Morgen, im Haus, ohne Regen und unsere kleine Profi-Erzieherin gab stets den Ton an, welche Lieder wir zu trällern hatten und wie die Regenschirm-Choreografie dazu auszusehen hatte.
So ist also MEIN Corona-Alltag.
Ein Alltag, in dem die Zeit mehr im Vordergrund steht als das Geld,
ein Alltag in dem das Miteinander als Familie so groß geschrieben wird, wie vermutlich nie wieder.
Ich muss sagen: so lange ich gezwungen bin, tauche ich sehr gerne ab, in diese sonderbare Corona-Welt.
Und schließlich versuche ich, wie jeder…. aus dieser Krisen-Situation nur das Beste zu machen.
Manuela führt einen Blog (Tröste-Schlalo) über den alltäglichen Wahnsinn einer Familie - ihrer Familie! ..oder nicht doch über all die kleinen und großen Freuden, die das Familienleben birgt?! Zusammen mit Hund, Katz und Maus lebt die vierköpfige Familie in einem kleinen Haus in Ostfriesland und übersteht nun auch 'Corona' gemeinsam! Tröste-Schlalo? So nennt ihre Tochter die - jeder kennt sie - Tröste-Schokolade und genau das soll Manuelas Blog für viele Mütter sein: zarter Schmelz für die Seele, denn, wie sie selber sagt,: "Muttersein ist nicht immer so leicht, aber eben auch nicht immer so schwer".